Susanne Holzinger: Zahnradschalen, Papier

In der Jahresauftaktausstellung steht das facettenreiche Thema Papier im Mittelpunkt: vom Bucheinband bis zum Accessoire, vom Schmuckstück bis zum freien Objekt. Papier-Kunst

Hannover, 25. Januar 2018.- Papier ist unglaublich vielfältig: es kann leicht, zart und transparent sein, aber auch robust, hart und lichtundurchlässig. Auch im digitalen Zeitalter hat Papier nichts von seiner Faszination verloren. Als Material, auf dem geschrieben werden kann, als  exquisit gestalteter Bucheinband, als Leuchtobjekt oder Gefäß, als Schmuckstück, Accessoire oder freies Objekt.

In der Ausstellung ist die ganze Spannbreite von Papier-Kunst zu sehen. 31 angewandte KünstlerInnen und DesignerInnen aus Deutschland, den Niederlanden und Österreich sind vertreten.

Papierschmuck

Der in Spanien geborene und in den Niederlanden lebende Designer Luis Acosta, der an der renommierten Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam seinen Abschluss gemacht hat, zeigt in der Ausstellung großformatige Colliers, die aus mehreren Schichten farbigem Büttenpapier bestehen. Sie spiegeln seine Vorliebe für Formen und Farben wieder.

Auch Lyke Gais de Bildt steuert ein Schmuckstück bei: ein Bucharmband mit 1400 nummerierten Seiten. Aus 303 Zeichnungen und Radierungen Rembrandts, die digital verfügbar waren, wurden 1400 Handaufnahmen ausgewählt. Daraus entstand ein analoges Objekt, die man um das Handgelenk tragen kann. Die Künstlerin griff bei der Produktion auf eine Buchbindetechnik zurück, bei der die Seiten eng aneinander gereiht und mit einem speziellen Kreuzstich, der im Niederländischen als Brocheersteek bekannt ist, verbunden wurden.

Als weiteres Highlight ist in der Ausstellung der papierne Schmuckkragen „Spaceless“ zu sehen. Katja Liebig lehrt in der Werkstatt für Buchbinde- und Verpackungstechniken im Studiengang Kommunikationsdesign an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.

Bücher und Buchobjekte

Ein Buch ist ein Buch, beschriebene Seiten zwischen Einbanddeckeln zusammengebunden. Oder vielleicht doch nicht? Wenn man die kunstvoll gestalteten Bücher von Beatrix Mapalagama anschaut, dann können einem Zweifel kommen. Bei ihr schauen schon mal spitze Strohhalme aus den Buchseiten heraus, oder sie schöpft Pferdehaare ins Papier. Verwegen? Ja, auf jeden Fall, und einen intensiven Blick wert.

Annette C. Dißlin fertigt in ihrem Atelier „Bücher mit Freiräumen. Das Spektrum reicht vom Künstlerbuch als Sammlerstück bis hin zum Tagebuchunikat. Sie arbeitet mit den Techniken, die traditionell mit dem Büchermachen in Verbindung stehen. Das sind der Buchdruck, auf handbetriebenen Druckpressen, der Handsatz aus Blei- und Holzlettern, der Holz- und Linolschnitt sowie das handwerkliche Buchbinden. Mit diesen Techniken spielt und experimentiert Dißlin bei jedem ihrer Buchprojekte neu. Dabei ist ihr eines ganz wichtig: Das Buch muss als Buch funktionieren. Sie nutzt die reiche Vielfalt von Papieren: vom handgeschöpften Bütten mit Wasserzeichen bis zum Designerpapier mit Flächenprägung, vom zarten Pergaminbogen bis zum handgemachten Buntpapier, vom hauchfeinen Japanbütten bis zur rustikalen Strohpappe.

Accessoires: Taschen, Hüte, Schals

Die Niederländerin Lenie Voortman entwirft und produziert Modeaccessoires und Kunstobjekte, bei denen sie Techniken und Materialien miteinander kombiniert. Sie arbeitet vorwiegend mit Papier, Wolle und Seide, aber auch mit Metallen wie Silber, Kupfer, Aluminium und verschiedenen Kunststoffen. Seit einiger Zeit experimentiert sie vor allem mit finnischem Papiergarn und der traditionell schweizerischen Technik der Strohstickerei. In der Ausstellung zeigt sie eine Serie kleiner Papierhüte, die für sich allein als Kunstobjekte stehen, aber auch als Fascinator getragen werden können.

Dass aus Papier auch wunderschöne Schals entstehen können zeigt die Handweberin Maja Vogl, die 2008 mit dem Bayerischen Staatspreis und 2011 mit dem Danner Ehrenpreis ausgezeichnet wurde. Sie nutzt sehr feines, selbstgefärbtes Papiergarn, das aus der indonesischen Bananenpflanze Abaka hergestellt wird. Das Material eignet sich hervorragend für die Gestaltung farbiger Flächen. Im ersten Moment erinnert der beim Webvorgang entstehende Stoff an Leinen, die Tücher bleiben aber beim Tragen kühl und halten damit auch besser die Form.

Claudia Santiago Areal steuert zur Ausstellung Taschen bei: die aktuelle Stichted-Collection ihres Labels Livalike. Modern, puristisch, klar – so lassen sich die Taschen am besten beschreiben. Hergestellt werden sie aus Texon, das auch gern als veganes Leder bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um ein Zellulosefaservlies, das mit Latex verfestigt, aber frei von Pentachlorphenol, PVC oder BPA und damit weder umwelt- noch gesundheitsschädlich ist. Die waschbaren Papier werden von Hand farbig lasiert, geschnitten, gefaltet und mithochfestem Zwirn im Zick-Zack-Stich genäht. Dadurch werden die Kanten stabilisiert und vor Rissen geschützt.

Wohnaccessoires

Die Handweberin Frauke Weißflog präsentiert Kissen aus Papiergarn und mercerisierter Baumwolle. Die Außenseite der Kissen zeigt mehr Papiergarn, die Innenseite mehr die glänzende Baumwolle. Beim Webprozess entsteht ein festes Gewebe mit einer griffigen Textur und einem dekorativen Schlaufenrand.

Sylvia Bünzels Element sind Raumteiler, die sie aus den unterschiedlichsten Materialien herstellt. In der Ausstellung zeigt sie Beispiele aus ihrem Projekt „Holz-Papier-Leinen“. Dabei verwendet sie handgehobelte Holzspäne, Papierstreifen und Garne aus japanischem und nepalesischen Papieren und diverse Leinengarne. Aus Holz und Pflanzenfasern wird Papier. Aus Papier werden Streifen und Garne. Ein Kreislauf mit ganz unterschiedlichen Facetten. In den Geweben vereinen sich diese Materialien zu strukturstarken, zum Teil sehr festen, aber dennoch transparenten Textilien für Raum und Fenster.

Jutta Müntefering hat sich auf Lampen aus Papier spezialisiert. Mit Hilfe einer komplexen Origami-Technik werden riesige, flache Papierbögen sorgfältig per Hand gefaltet. So werden aus zwei Dimensionen drei. und es entstehen minimalistische Leuchtkörper, bei denen sich sachliche Geometrie mit stimmungsvollem Licht verbinden.

Papierobjekte

Philine Görnandt kreiert Papierskulpturen aus gewachstem Pergament. Schicht für Schicht entstehen organische Formen, die filigran leuchtend von innen zum Leben erweckt werden und dem Betrachter damit die unzähligen Materialschichten erahnen lassen, die notwendig sind, um aus dem zarten Ausgangsmaterial feste organische Strukturen zu erschaffen. Wie natürlich gewachsen wirken auch die Wandobjekte der Künstlerin, deren Facettenreichtum durch äußerlichen Lichteinfluss zum Vorschein kommt.

Hyacinta Hovestadt nutzt Wellpappe für ihre Papierobjekte. Ein nützliches, umweltfreundliches Material, äußerlich meist von packpapierbrauner Unscheinbarkeit, im Inneren aber genial: Mehr Hohlraum als Papier, leicht, sehr stabil, und schön. Das Material lässt sich zu großen, leichten und doch erstaunlich festen Skulpturen verarbeiten. Aufgrund ihrer Arbeitsweise, bei der jede Schicht einzeln geschnitten wird, ist fast jede Formgebung machbar – abhängig von dem Winkel, in dem das Messer beim Schneiden gehalten wird. Angeregt wird die Künstlerin von der Natur, von archaischen Formen und archäologischen Funden. Das Ergebnis sind oft bauchige Körper, Wölbungen, Nester und Hüllen. Wie nicht fertig geworden die einen. Wie genutzt, abgewetzt andere.

Papierskulpturen der ganz anderen Art, steuert Heike Roesner zur Ausstellung bei. Sie baut kleine Szenen, Geschichten aus Papier, dem Alltag entlehnt, ein wenig skurril und farbenfroh. Dazu nutzt sie die unterschiedlichsten Papiere, die man sich vorstellen kann: Alte und neue, gebrauchte und ungebrauchte, edle und banale, merkwürdige und alltägliche. In der traditionellen Technik des Papiermaché verwandeln sich diese Werkstoffe in Figuren und Episoden, die faszinieren und zum Anschauen animieren.

In einer ähnlichen Technik arbeitet auch die in Russland geborene und heute in Hamburg lebende Papierkünstlerin Kira Kotliar. Auf einer Form aus Drahtwerden abwechselnd Schichten aus dünnem Papier und Watte aufgeklebt. Das macht die Objekte gleichzeitig sehr leicht und trotzdem fest. Die Figuren von Kira Kotliar sind farbenfrohe faszinierende Fabelwesen, inspiriert von der Volkskunst ihrer russischen Heimat, von Märchen und Bilderbüchern.

 

Es stellen aus:

Luis Acosta (NL) - Kathrin Arnold - Roswitha Berger-Gentsch - Lyske Gais de Bildt (NL) - Ulrike Buck -Sylvia Bünzel - Iuliana Rodica Circa - Anette C. Dißlin -Philine Görnandt - Susanne Holzinger - Hyacinta Hovestadt -Astrid Jahns - Silke Janssen - Kira Kotliar - Ria van Krieken (NL) - Gabriele Kruk - Katja Liebig - Claudia Maiwald - Beatrix Mapalagama (A) - Jutta Müntefering - Anke Neumann - Paula-Jiun No - Katrin Paul - Heike Roesner - Kristina Rothe - Claudia Santiago Areal - Dagmar Schwald - Philipp Valenta - Maja Vogl - Lenie Voortmann (NL) - Frauke Weißflog

 

Ausstellungseröffnung:
Freitag, 26. Januar 2018, 20 Uhr

Ausstellungsdauer:
27. Januar 2018 bis 03. März 2018

Ausstellungsführungen:
Donnerstag, 01. Februar 2018, 16.30 bis 17.30 Uhr
Donnerstag, 15. Februar 2018, 16.30 bis 17.30 Uhr

Ort:
Handwerksform Hannover, Berliner Allee 17, 30175 Hannover

Öffnungszeiten:
Di – Fr 11-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr, So, Mo und an gesetzlichen Feiertagen geschlossen

 

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